Drei Leichtathletik Europameisterschaften in Zürich, Amsterdam, Berlin – mein ganz persönlicher Rückblick!
EM in Zürich 2014
2014 schaffte ich es, mich das erste Mal für ein Großereignis in der allgemeinen Klasse zu qualifizieren. Vom 12.-17.08.2014 wurde die Leichtathletik Europameisterschaft in Zürich in der wunderschönen Schweiz ausgetragen.
Untergebracht wurde das österreichische Team zusammen mit den Belgiern in einem modernen Hotel etwas außerhalb der Stadt - nicht weit entfernt von einem gut ausgestatteten Trainingsstadion. Dort absolvierte ich am 11. August noch mein letztes Training vor der Qualifikation am nächsten Tag.
Der Start in den Rekord-Tag
Schon um 6:00 Uhr morgens hieß es für mich raus aus dem warmen Bett und ab unter die Dusche, um frisch beim Wettkampf anzutreten. Zusammen mit meinem Papa, dem Arzt und dem Masseur wurde gefrühstückt. Schon sichtlich nervös, war mein Hunger nicht der größte, aber eine gute Stärkung ist das Wichtigste für einen langen Wettkampftag.
Mit dem Bus ging es in das Aufwärmstadion Silhölzli. Dort sah ich bekannte Gesichter, wie Robert Harting, David Storl, Darya Klishina und natürlich auch die Stabhochsprungkonkurrenz, die schon fleißig beim Aufwärmen war. Nach einem 30 minütigen Warm Up wurden unsere Wettkampfrucksäcke im Call Room von den schweizer Volunteers durchsucht und geprüft. Danach ging es mit kleinen Bussen in das etwa 15 Minuten entfernte Wettkampfstadion am Letzigrund.
Der Einmarsch war atemberaubend - da wurde mir sofort bewusst, dass ich hier im legendären Letzigrundstadion mein Debüt bei den Erwachsenen bestreiten werde. Das machte das Ganze natürlich nicht einfacher und die Nervosität stieg weiter an. Nach einem etwas durchwachsenen Einspringen wurde der Qualifikationswettkampf um 10:30 Uhr gestartet. Mein Trainer und ich entschieden uns, bereits bei einer niedrigen Höhe einzusteigen, um so gut wie möglich in den Wettkampf zu kommen und mich noch besser an die Anlage gewöhnen zu können. Das war ein guter Entschluss, denn die 4,15m und auch die nächste Höhe von 4,25m meisterte ich im ersten Versuch. Diese beiden Sprünge stärkten das Selbstbewusstsein enorm und mein Ziel war eindeutig: Ich will in das Finale!
Der Rekordsprung
Für die nächste Höhe von 4,35m brauchte ich zwei Anläufe - dann blieb die Latte liegen. Nun wurde die Querlatte um weitere 10cm erhöht. Als ich in der Anlaufbahn stand, gingen mir plötzlich einige Dinge durch den Kopf: 4,45m - das wäre neuer österreichischer Rekord! So hoch ist noch nie eine Österreicherin gesprungen! Bin ich dem schon gewachsen? Höchstwahrscheinlich wäre es sogar das Ticket ins Finale! Genau das, was ich will!
Bereits im Absprung merkte ich, dass der Sprung gut wird. Ich turnte dem Stab entlang hinauf, doch leider musste ich feststellen, dass es um wenige Zentimeter nicht reichte. Leicht tuschierte ich die Latte und brachte sie zum Fall. Dieser Sprung gab mir riesige Motivation - es war so knapp und ich wusste, dass ich noch zwei Versuche habe um die wenigen Zentimeter draufzulegen. Papa gab mir noch letzte Anweisungen und dann bereitete ich mich für den zweiten Anlauf vor. Die Gedanken vom vorherigen Sprung waren wie weggeblasen, nun konzentrierte ich mich nur noch auf die technischen Details, die ich zu verbessern hatte. Leider kann ich mich - wie so oft bei guten Versuchen - nicht mehr im Detail an den Sprung erinnern. Nur der Moment, als ich mit meinem Oberkörper über die Latte flog und wusste, dass sie dieses Mal liegen bleibt, wird mir wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Dieses Gefühl war unbeschreiblich, bereits in der Luft beim Hinunterfallen auf die Matte jubelte ich.
Doch es war noch immer nicht sicher, ob die übersprungenen 4,45m für den Finaleinzug reichen, denn insgesamt schafften es 13 Frauen über diese Höhe. Nach längeren Diskussionen entschloss sich das Kampfgericht jedoch, mit 12+1 Stabhochspringerinnen am 14.8. den Finalwettkampf zu bewältigen. Ich war im Finale!
Nach dem Wettkampf standen noch einige Interviews auf dem Programm, danach war ich nur noch froh endlich meine Familie und Freunde in den Arm nehmen zu können. Ein weiteres kleines Highlight an diesem Tag war die Gratulation von Vitali Petrov (einst Trainer von Bubka und Isinbaeva) und Alex Parnov (Trainer von Steven Hooker und Emma George) zu meiner guten Leistung.
Das Finale
Am nächsten Tag, dem 13. August, hatte ich Geburtstag: Eine Party stand leider nicht an, sondern eine Dopingkontrolle in der Früh und ein kurzes Training am Abend.
Einen Tag später fand um 18:19 Uhr das Finale statt. Leider konnte ich meine Form von der Quali nicht bestätigen und schied mit drei Fehlversuchen bei der Einstiegshöhe von 4,35m aus. Natürlich war ich darüber sehr enttäuscht, doch rückblickend konnte ich aus den beiden Wettkämpfen einiges an Erfahrung und viel Motivation für die nächste Saison mitnehmen.
EM Amsterdam 2016
Zwei Jahre nach meinem internationalen Durchbruch in Zürich kam ich mit großer Vorfreude der Einladung zur Anfang Juli ausgetragenen Leichtathletik-Europameisterschaft in Amsterdam nach. Dieses Mal jedoch nicht mehr als aktive Stabhochspringerin, sondern mit einer anderen Funktion: Mir wurde die Ehre zuteil, am vorletzten Wettkampftag die Medaillen an die Top-3 Athlten im Stabhochsprung der Herren zu überreichen. Im Leichtathletikstadion angekommen, erwies sich die VIP-Tribüne glücklicherweise als nicht behindertengerecht – so mussten meine Schwester Brit und ich auf eine spezielle Tribüne für Rollstuhlfahrer ausweichen, die sich unmittelbar vor der Stabhochsprunganlage befand. So kamen wir auch noch in den Genuss des Damenbewerbes, in dem meine Freundin und frühere Trainingskollegin Angelika Moser mit meiner zwei Jahre alten Bestleistung von 4,45 Metern Siebente wurde. Für den emotionalen Höhepunkt sorgte aber eine andere Freundin, die ich seit über neun Monaten nicht mehr gesehen hatte: Ivona Dadic!
Meine Zimmerkollegin aus Jugendtagen, wie gewohnt die Fingernägel schrill Rot-Weiß-Rot lackiert, übertraf nicht nur mit neuem ÖLV-Rekord das zuletzt knapp verpasste Olympialimit (6200 Punkte) um 208 Zähler, sondern holte damit auch noch souverän EM-Bronze. Brit und ich schrien uns auf Ivis Ehrenrunde die Kehle heiser, bis sie uns bemerkte und versuchte, die Absperrungen zu überklettern. Als dies nicht gelang, borgte sie sich einen Stuhl vom Wettkampfrichter aus, um sich den Weg zu uns zu bahnen. Das Wiedersehen nach über neun Monaten fiel entsprechend überschwänglich aus und wurde von Freudentränen begleitet!
EM Berlin 2018
Und nun sind schon wieder zwei Jahre vorbei und die nächste Leichtathletik Europameisterschaft ist gerade zu Ende gegangen. Natürlich war ich auch dieses Mal wieder dabei, als Zuseherin. Die Gefühle, die ein Leichtathletikstadion bei einer Meisterschaft in mir auslösen, bleiben mir hoffentlich noch lange erhalten: Für mich riecht es im Olympiastadion nach Schweiß, Ehrgeiz, Träumen, harter Arbeit und Glücksgefühlen. Es war so wunderschön wieder zurück zu sein und viele bekannte Gesichter zu sehen.
Eine neue Perspektive: Purer Genuss beim Zuschauen
Gleich nach meiner Ankunft am Donnerstag startete um 19:20 Uhr das Finale der Frauen im Stabhochsprung. Ein absolutes Highlight für mich. Natürlich schwingt da schon etwas Wehmut mit, wenn ich mitten in einem Leichtathletikstadion sitze, überwiegen tut jedoch die Freude und das Mitfiebern.
Als Sportlerin konnte ich das Zusehen bei Stabhochsprung-Wettkämpfen nie so richtig genießen. Ich suchte viel zu sehr nach Fehlern, analysierte jeden Schritt der AthletInnen, diskutierte mit meinem Papa was man im nächsten Sprung verändern sollte, probierte den Trainern zu lauschen, welche Anweisungen und Tipps sie ihren SportlerInnen geben, verglich die Technik mit meiner eigenen - viele Dinge gingen mir durch den Kopf. Wie du dir vorstellen kannst, war das alles andere als entspannend.
Jetzt ist es hingegen ganz anders: Ich genieße es richtig den Wettkampf zu verfolgen, urteile nicht über kleine Fehler, sondern freue mich wenn die Latte liegen bleibt und hohe Höhen gesprungen werden. Genau wie es bei dieser EM der Fall war. Im Stabhochsprung der Frauen gab es einen griechischen Doppelsieg. Ekaterini Stefanidi gewann mit einem neuen Meisterschaftsrekord von 4,85m die Goldmedaille. So ging ein spannender Abend zu Ende.
Den nächsten Tag verbrachte ich fast zur Gänze im Stadion. Auf dem Plan standen unter anderem die Qualifikation im Männer Stabhochsprung, der zweite Tag der Mehrkämpferinnen (Ivona Dadic holte hier mit einem neuen österreichischen Rekord den hervorragenden 4. Platz, Verena Preinerwurde 8. und Sarah Lagger 13.) und das spannende Finale über 1500 Meter der Männer.
Wiedersehen mit Weltrekordhalter Lavillenie
Den freien Samstag-Vormittag nutzte ich, um einige Freunde zu treffen, darunter ein paar österreichischen Athleten, Renaud Lavillenie (Weltrekordhalter im Stabhochsprung), Angelica Moser (meine frühere schweizer Trainingskollegin), Svein Arne Hansen (Präsidenten des Europäischen Leichtathletik-Verbandes EAA) und viele anderen erfolgreichen Athletinnen und Athleten. Es blieb sogar Zeit für etwas Sightseeing quer durch die deutsche Bundeshauptstadt. Vom Brandenburger Tor, dem Reichstagsgebäude zum Checkpoint Charlie, wurden alle wichtigen Sehenswürdigkeiten abgearbeitet.
Am Sonntag war es dann endlich soweit. 19:10 Uhr - die Stabhochspringer waren startbereit. Und ich sowieso! Favoriten gab es viele, doch einem drückte ich ganz besonders die Daumen: dem Franzosen Renaud Lavillenie. Seit seinem Besuch in der Reha in Bad Häring sind wir immer wieder in Kontakt und versuchen uns so oft wie möglich bei Sportveranstaltungen zu treffen. Auch er hat schon einige Verletzungen hinter sich und freut sich immer, wenn ich im Stadion sitze und ihn anfeuere.
Wow! Ein hochkarätigeres Springen als dieses hat es, glaube ich, noch nie gegeben! Ich fieberte mit, als ob es um meine eigene Medaille ginge und jubelte bei jeder übersprungenen Höhe mit - noch heute habe ich davon Muskelkater. Der junge Schwede Armand Duplantis war am Sonntag eine Klasse für sich, er sprang nicht nur neuen Meisterschaftsrekord, sondern ist nun auch der jüngste 6-Meter-Springer. Weil das noch nicht genug war, übersprang er auch noch 6,05m und ist somit 4. der ewigen Bestenliste und das gerade einmal mit 18 Jahren. Was für eine Show! Das ganze Publikum tobte und freute sich mit ihm. Renaud gewann die Bronzemedaille und begrüßte Armand im 6-Meter-Club. Die zwei sind zwar Konkurrenten, aber sehr gute Freunde. Genau das liebe ich so am Stabhochsprung!
Ich freue mich schon auf 2020, da findet die nächste Leichtathletik Europameisterschaft in Paris statt!