Wings for Life World Run 2018

„Lema, wie weit werden wir heute laufen?“ Seine Antwort: „Nicht so weit“….

Zum fünften Mal fand am 6. Mai 2018 der Wings for Life World Run statt. Der Lauf, bei dem alle Teilnehmer das Ziel erreichen. Der Wings for Life World Run ist ein globaler Charity-Lauf und für wirklich jeden geeignet.

Weltweit, zeitgleich und eine bewegliche Ziellinie. 

So funktioniert’s: Der Wings for Life World Run findet jährlich an einem Tag an verschiedenen Event Locations auf der ganzen Welt statt. Der Startschuss fällt überall zur exakt gleichen Uhrzeit, um 11:00 UTC – also 13.00 Ortszeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Egal ob es an deiner Event Location Tag oder Nacht ist, die Sonne scheint oder es regnet – du startest gemeinsam mit der ganzen Welt in ein großartiges Erlebnis!

So beschreibt er sich auf der Homepage und es wird nicht zu viel versprochen!

Das Beste am Lauf: Mit deiner Teilnahme unterstützt du Wissenschaftler, die an einer Heilung für Querschnittslähmung arbeiten. Denn 100% aller Startgelder und Spenden fliessen in wichtige Forschungsprojekte zur Heilung des verletzten Rückenmarks.

 

© Wings for Life World Run
© Wings for Life World Run

Bereits der Samstag vor dem Wings for Life World Run stand ganz im Zeichen dieses coolen Events: Beim Frühstück fuhr mir Reini Sampl, der Fahrer des „Catcher Cars“, über den Weg. Am späteren Nachmittag erfolgte die Startnummern-Übergabe für SportlerInnen und BotschafterInnen auf der Bühne am Rathausplatz. Dort gaben Lemawork Ketema und ich bekannt, dass wir am morgigen Tag ein Team bilden und gemeinsam den Lauf bestreiten werden. Abends trafen wir uns dann zu einem netten Abendessen mit Austausch der Ziele, die sich jeder TeilnehmerIn gesetzt hat. Mein Laufpartner Lemawork und ich besprachen immer wieder die ersten Schiebe-Versuche und feilten an der besten Technik. Er meinte, dass er sich einen Einkaufswagen schnappen und noch über Nacht ein wenig üben sollte.

Der Tag war endlich gekommen, schon lang fieberte ich darauf hin. Gut ausgeschlafen ging es am Sonntag, den 6. Mai 2018, vormittags los mit einigen Interviews, Pressegesprächen, Fotos und organisatorischen Abstimmungen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich immer noch nicht genau, wie weit Lema mit mir laufen möchte bzw. laufen kann. Er sagte immer nur: nicht so weit! Für mich klang das nach höchstens 10-15 Kilometern. Darauf stellte ich mich nun auch ein. 

Kurz bevor wir alle in Richtung Start aufbrachen wurde mein Rolli noch mit 2 „Gopro-Kameras“ bestückt, damit der Lauf auch aus meiner Perspektive miterlebt werden konnte.

Um 12:30 versammelten wir uns dann alle vor der Startlinie am Rathaus - ich stand mit Lukas Müller, Nico Langmann, Tarek Rasouli und vielen anderen in der ersten Reihe. Wie jedes Jahr wurde die große „Wings for Life-Fahne“ über die TeilnehmerInnen gereicht. Am emotionalsten war für mich der Moment, als alle 13.500 TeilnehmerInnen in Wien in die Knie gingen, um mit uns Rollifahrern auf Augenhöhe zu sein. 

 

Christopher Kelemen für Wings for Life World Run
© Christopher Kelemen für Wings for Life World Run

Pünktlich um 13:00 Uhr ging es dann endlich los. Lemawork startete mit mir vorne weg und nahm immer mehr Schwung auf. Die ersten beiden Kilometer waren unsere schnellsten – wir brauchten dafür weniger als 4 Minuten! Es ging die Ringstraße entlang, bei der Universität Wien vorbei in Richtung Donaukanal. Weiter zum Schwedenplatz und zur Staatsoper. Zeit zum Sightseeing hätte ich eigentlich genug gehabt, aber Lemawork war mit mir so flott unterwegs, dass ich schauen musste im Rollstuhl sitzen zu bleiben. Gerade Bodenunebenheiten und Straßenbahnschienen machten das schwierig. Lema warnte mich aber immer rechtzeitig: „Achtung, aufpassen!“ 

Nach nur wenigen Kilometern waren wir ein eingespieltes Team. Uns begleitete zudem ein Radfahrer (mit E-bike, obwohl er behauptete die elektronische Unterstützung ausgeschaltet zu haben), der uns immer wieder Auskunft über die Zeit und auch die Entfernung zum „Catcher Car“ durchsagte. Von der Wiener Staatsoper liefen wir über die Linke Wienzeile, den Gumpendorfer Gürtel und den Mariahilfergürtel quer durch die verschiedenen Wiener Gemeindebezirke, hinein in die Mariahilfer Straße in Richtung Ring. Entlang der geschichtsträchtigen Gebäude wie dem Kunst- und Naturhistorischen Museum, der Hofburg, dem Parlament und dem Burgtheater. Nun kam mir die Gegend wieder bekannt vor, denn wir befanden uns erneut kurz vor der Startlinie. Am Rathaus war die Hölle los: über mehrere hundert Meter standen links und rechts von der Absperrung Menschen, die uns anfeuerten und zujubelten. Ich habe diesen Moment so richtig genossen und dachte mir: Heute schaut die ganze Welt auf uns Querschnittsgelähmten!

 

© Philip Platzer für Wings for Life World Run
© Philip Platzer für Wings for Life World Run

 

Nach etwa 15 Kilometern stießen wir zu der Gruppe von Andreas Goldberger. Da wurde mir erst so richtig bewusst, wie schnell wir unterwegs waren. Ich fragte einen Läufer, wie weit wir denn kommen, wenn wir so weiterlaufen. 40 bis 45 Kilometer, meinte er. Da war ich sprachlos. 40 Kilometer? So weit will Lema mit mir laufen? Ich fragte bei ihm nach, und er meinte wir laufen so weit wir kommen. Er hat inzwischen wohl ein gutes Tempo für sich gefunden und wirkte fit. Ich dachte mir: ok, dann lasse ich ihn mal machen, schließlich ist er der Profi. Allzu lange hielten wir uns in der Gruppe um Goldi nicht auf, wir erhöhten das Tempo und liefen ihnen davon. 

Die Strecke führte uns weiter auf die Reichsbrücke, über die Donau. Da hatte Lemawork das erste Mal zu kämpfen - ging es doch einige Meter steil bergauf. Deshalb machten wir auch an der nächsten Labestation eine ganz kurze Trinkpause. Lemawork goss sich zur Abkühlung einen Becher Wasser über den Kopf. Das Zeitgefühl hatte ich mittlerweile vollkommen verloren, ich genoss nur mehr die Zurufe vom Straßenrand und war auch von Lemaworks Ehrgeiz gefangen: Wie kann ein Mann nur so schnell so weit laufen und mich zudem auch noch schieben?

 

Als wir den Donaupark durchquerten, fiel mir auf, dass hier Lema von fast jedem erkannt wurde. Er erzählte mir, dass er hier in der Nähe wohnt und jeden Tag laufen geht - direkt an der Donau entlang. Die Strecke kannte er nun also, dachte ich mir und bemerkte, dass er sich hier wohl fühlte. Da nützte ich sofort die Gelegenheit um die – aus meiner Sicht berechtigte – Frage zu stellen, wie weit wir denn noch laufen würden. Lema`s knappe Antwort: bis das Auto kommt! Und das kommt ja ganz sicher. Er machte sich darüber eindeutig weniger Gedanken als ich. Zum Glück nahte die nächste Labestation, an der wir für wenige Minuten halt machten. Ich aß ein Stück Orange und trank einen Becher Wasser. Lema stärkte sich auch und „duschte“ sich mit Wasser, um etwas abzukühlen. Dringend nötig, denn mittlerweile hatte es bestimmt über 24 Grad.

 

© Philipp Greindl für Wings for Life World Run
© Philipp Greindl für Wings for Life World Run

Nach der kurzen „Pause“ ging es entlang der Donau weiter in Richtung Korneuburg. Am rechten Wegrand erblickte ich das Schild mit „38 Kilometer“. Nach kurzer Absprache mit Lemawork einigten wir uns bei Kilometer 40 unseren Lauf zu beenden und dort auf das „catcher car“ zu warten. Ich konnte einfach nicht mehr, ich war „fix und fertig!“

Ich glaube, wenn es nach ihm gegangen wäre, wären wir heute noch unterwegs. Dass der Lauf auch für mich so anstrengend wird, hätte ich nie gedacht. Eigentlich musste ich ja nur sitzen und hin und wieder LäuferInnen anfeuern, doch die Spannung und Stabilität zu halten, kostete mich wahnsinnig viel Energie. Mittlerweile war ich wie in Trance, oder wie die LäuferInnen sagen, „im flow“. Dann nahte endlich unsere ausgemachte Ziellinie - das Schild mit der Aufschrift „40 Kilometer.“ Erschöpft und überglücklich kamen wir zum Stehen. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass wir in 3 Stunden 40 Kilometer zurückgelegt haben. Einfach unfassbar!

 

Motorräder mit Kamerateams und Autos kamen auf uns zu. Und da war es endlich, das „catcher car“ mit Rallye-Dakar-Gewinner Matthias Walkner am Steuer - die fahrende Ziellinie, die alle irgendwann einholt. Adrenalin schoss in meine Adern und Emotionen stiegen in mir auf: Beim Einholen durch das „catcher car“ hatte ich - wie schon vor 2 Jahren - mit Tränen zu kämpfen. Wir haben es geschafft, und unser Ziel erreicht! Gleich nach der fahrende Ziellinie stand „Ö3 - Mikromann“ Tom Walek mit Mikrofon auf einem Auto und freute sich mit uns: „Endlich haben wir auch die Zwei eingeholt, gratuliere zu eurer tollen Leistung!“

Nach zwei kurzen Interviews wurde ich in einen Rollibus zurück zum Start nach Wien gebracht. Im Auto ließ ich das ganze Geschehen erst mal sacken. Was für ein phänomenaler Tag…!

An dieser Stelle möchte ich „DANKE“ sagen an alle Freiwilligen, BegleiterInnen, MitstreiterInnen, ZuseherInnen - ohne euch wäre das nie möglich gewesen. Und vor allem auch danke an die HelferInnen an den Labestationen, die uns Wasser, Redbull, Bananen, Orangen und Müsliriegel reichten – wie immer eine perfekte Organisation! 

Ich freue mich schon jetzt auf den Wings for Life Run 2019!

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